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„Kapitalexport“ als Rätsel in der Bestimmung „neuimperialistischer Länder“

P. J. James, CPI (ML) india, Beitrag Nr. A13 für die „Internationale Internetdiskussion zur Bedeutung 100 Jahre Oktoberrevolution“, 19. August 2017

 

Die Internationalisierung der Produktion und die globale Reichweite, die das Monopolfinanzkapital heute erreicht hat, brachten als eine neue Tendenz hervor, dass sowohl private als auch staatliche Unternehmen von neokolonialen und unterdrückten Nationen begonnen haben, durch grenzüberschreitende Bündnisse und Joint Ventures mit multinationalen Konzernen in die globalisierte Produktion und die globalisierten Finanzströme vorzudringen. Diese Situation hat einige Sektionen der Linken dazu veranlasst, unter scheinbarem Festhalten an der Leninschen Definition des Imperialismus solche neokolonialen Länder als „Kapitalexporteure“ zu interpretieren und sie als „neuimperialistische Länder“ zu kennzeichnen. An dieser Stelle ist es zweckdienlich, das „Rätsel“ zu entwirren, das mit dem „Kapitalexport“ an sich verbunden ist. Eine nähere Analyse macht mehr als deutlich, dass der sogenannte Kapitalexport nur der „Form“ nach bestehen bleibt, während der Klassencharakter des Staates und die daraus resultierenden Produktionsverhältnisse, die das „Wesen“ sind, noch immer den Prozess der Werteabschöpfung bestimmen. Heute können multinationale Konzerne in Niedriglohnländern Mehrwert erzielen und Arbeiter ausbeuten, auch ohne offenkundig auf „Kapitalexport“ zurückzugreifen, da die von ihnen mobilisierten Geldquellen aus den Ländern selbst kommen, in denen Investitionen getätigt werden. Das kann man auch anhand der fehlenden Korrelation zwischen dem Zufluss ausländischer Direktinvestitionen und der Gewinnrückführung (Werteabschöpfung) aus den unterdrückten Nationen erahnen. Während multinationale Konzerne aus den USA, der EU, aus Japan usw. eine Überausbeutung lateinamerikanischer, afrikanischer und asiatischer Arbeiter betreiben, gibt es zugleich keine Berichte darüber, dass die brasilianische, südafrikanische oder indische Bourgeoisie unabhängig eine ähnliche Enteignung und Ausbeutung des Proletariats in imperialistischen Ländern betreibe. Tatsächlich häufen die herrschenden Kompradorenklassen der abhängigen Länder vor allem dadurch Profite an, dass sie die Arbeiter und hart arbeitenden Massen ihrer eigenen Länder ausbeuten, im Bündnis mit der imperialistischen Bourgeoisie. Die bloße Mitwirkung am globalisierten Produktionsprozess allein reicht für die Kompradorenbourgeoisie der abhängigen Länder nicht aus, um eine Herrschaft auf globaler Ebene zu errichten.

Die Akkumulation enormen Reichtums durch die Großbourgeoisie und die daraus resultierende Entwicklung großer Monopole in bestimmten asiatischen, afrikanischen und lateinamerikanischen Ländern sind keineswegs neue Erscheinungen, da die gleiche Tendenz auch schon in der kolonialen Phase des Imperialismus bestand. So waren zum Beispiel die von den in der Zwischenkriegsperiode führenden indischen Monopoldynastien wie Tata, Birla usw. angehäufte sagenhafte Finanzakkumulation und ihre Berge von Reichtum vom Umfang her definitiv gleichauf mit denen der aus dem imperialistischen Großbritannien stammenden internationalen Monopole. Aber anders als in der Entwicklung des Kapitalismus bei den heutigen imperialistischen Mächten war die Großbourgeoisie der ehemaligen kolonialen, halbkolonialen und abhängigen Länder nicht in der Lage, ihre jeweiligen Länder zu einer normalen kapitalistischen Entwicklung zu führen. Es ist weithin anerkannt, dass in den heutigen neokolonialen und abhängigen Ländern die Zentralisation des Kapitals mit der Großbourgeoisie nicht auf das Feld der Produktion sondern auf die Zirkulation ausgerichtet ist, wohingegen das Wachstum der Monopole in imperialistischen Ländern auf die Konzentration und Zentralisation von Kapital und Produktion zurückzuführen war, was zum beispiellosen Anwachsen der „organischen Zusammensetzung des Kapitals“ führte. Hier bleibt die Position des VI. Kongresses der Komintern von 1928 zum Klassencharakter der Bourgeoisie in kolonialen, halbkolonialen und abhängigen Ländern in ihren Thesen über „Die revolutionäre Bewegung in den Kolonien und Halbkolonien“ weiterhin eine gültige Aussage. Auf der Grundlage der konkreten Auswertung des Verrats an der demokratischen Revolution und den antiimperialistischen Bewegungen insbesondere in China und Indien war die Komintern damals zu der Schlussfolgerung gekommen, dass die Großbourgeoisie in kolonialen und halbkolonialen Ländern, da sie vom Charakter her eine „Kompradorenbourgeoisie“ sei, nicht in der Lage sei, die antiimperialistischen und antifeudalen Kämpfe zum Sieg zu führen. Schon weit vor dieser Einschätzung der Komintern hatte Mao Zedong 1926 die Kompradorenbourgeoisie als eine Klasse gekennzeichnet, die in vielfältiger Weise direkt dem Imperialismus diene, und hatte erklärt wie ihre obersten Schichten eine besondere Form von „Monopolkapital“ herausbilden können, das sich fest mit der Staatsmacht verbinde. Weit davon entfernt, eine unabhängige Kapitalistenklasse mit nationalem Charakter zu sein, diese Kompradorenbourgeoisie, die unter dem Schirm des imperialistischen Finanzkapitals in seinem Stadium der Fäulnis geboren und aufgezogen wurde, und die zufrieden ist mit ihrer Position als „Unter-Ausbeuter“, dient seither treu dem Imperialismus-. In der neokolonialen Phase des Imperialismus in der Nachkriegszeit wurde ihre Kompradorisierung, oftmals im Gewand nationalistischer Ambitionen mit den damit einhergehenden politischen Komplikationen, ein immer stärker werdender Prozess, der in direktem Verhältnis zu den erschreckenden Ausmaßen der Aneignung von Reichtum durch diese herrschende Klasse steht. Obwohl die Internationalisierung des Monopolfinanzkapitals eine qualitative Tendenz ist, bleiben so die historischen und politischen Strukturen der neokolonialen Nachkriegsordnung (mit Ausnahme der kapitalistischen Umgestaltung in ehemals sozialistischen Ländern wie der Sowjetunion und China) in unterschiedlichen Abstufungen unverändert bestehen und bilden eine Trennungslinie zwischen Unterdrückern und Unterdrückten.

Es ist natürlich eine anerkannte Tatsache, dass die Internationalisierung der Produktion und die entfesselten grenzüberschreitenden Finanzströme der Kompradorenbourgeoisie der „neokolonial“ unterdrückten Länder trotz der ihr anhaftenden strukturellen Schwäche neue Möglichkeiten geboten haben, die Schranken der nationalen Wirtschaft zu durchbrechen und Lizenzverträge, Joint Ventures, Fusionen und Übernahmen mit multinationalen Konzernen einzugehen, um auf globaler Ebene zu agieren. Die globalisierte Produktion und die Tendenz zur Marktintegration haben auch neue Wege geschaffen für die engere Verflechtung zwischen multinationalen Konzernen und dominierenden Fraktionen der Kompradorenbourgeoisie von neokolonialen Ländern. Zudem wird sich diese Verflechtung wahrscheinlich weiter intensivieren, da sich Ausbeutung, Ungleichheit und Armut auch in imperialistischen Ländern verschärfen. Aber dies hat noch keine ausreichenden Bedingungen für die Umwandlung von neokolonialen Ländern zu imperialistischen hervorgebracht. Andererseits ist die neue Verbindung zwischen der Kompradorenbourgeoisie und den multinationalen Konzernen weiterhin ein Hindernis für eine sich selbst ausweitende binnenwirtschaftliche Akkumulation und nationale Entwicklung in abhängigen Ländern. Sie begünstigt eine zusätzliche Flucht von Reichtum in imperialistische Häfen, was zu Verwerfungen im Inland und zur Undurchführbarkeit einer „nach innen gerichteten Politik“ führt. Dieser Aspekt betrifft besonders die von den Imperialisten ausgebildete technokratischen Elite und höhere Bürokratie in Kompradorenregimes, die loyaler gegenüber IWF, Weltbank, WTO und ähnlichen weiteren neokolonialen, neoliberalen Institutionen sind als gegenüber den „National“-Staaten, die sie repräsentieren. Darüber hinaus macht die imperialistische Knechtschaft der herrschenden Regimes neokolonialer Länder auch internationale oder regionale Gruppierungen und Vereinigungen armer Länder noch unbedeutender, wie die Erfahrungen von BRICS, MIST und ähnlichen anderen Gruppierungen zeigen. Die sogenannte Vereinigung und enge Zusammenarbeit zwischen den herrschenden Klassen der imperialistischen Länder einerseits und der neokolonialen Länder andererseits, die Umstrukturierung der nationenbezogenen Produktionsbasis durch eine neue internationale Arbeitsteilung, die Digitalisierung und Finanzspekulation und die daraus resultierende verschärfte Ausplünderung der Arbeiter und der Natur, die zu verschiedenen Verwerfungen im Inland usw. führt, vertieft so in Wirklichkeit die historische Kluft zwischen den beiden, anstatt die Unterschiede zwischen ihnen auszugleichen. Die UNO und ihr Sicherheitsrat, das IWF-Weltbank-Kartell, die WTO, die verschiedenen Militärabkommen, die ganze Liste der internationalen Vereinbarungen und so weiter, die nach wie vor von einer Handvoll führender imperialistischer Mächte kontrolliert werden, gewährleisten zweifelsohne weiterhin die Herrschaft des Imperialismus über den Planeten. Kurzum, der sogenannte „Kapitalexport“, der von abhängigen Ländern heute ausgeht, hat noch nicht die imperialistische Hierarchie erschüttert, die das zwanzigste Jahrhundert hinterlassen hat.

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